Nur schnell über die Gleise?

Aktualisierung 14.9.2015: Nach einem guten halben Jahr sind die Ergebnisse erfreulich: Im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr sind die Anzeigen (bei gleicher Anzahl Kontrollen) um 60% zurückgegangen. Wir freuen uns und bleiben dran.
 
Aus meinem Bürofenster hier in Worblaufen schaue ich direkt auf einen mit einer Barriere gesicherten Bahnübergang hinunter. Und immer wieder kann ich hier beobachten, wie Menschen noch schnell unter der sich senkenden Schranke hindurchhuschen wollen. Das kann auch einmal eine Mutter mit Kinderwagen oder ein älteres Ehepaar sein. Was dabei alles passieren kann, und was ein Lokführer dabei erlebt, hat SBB-Lokführer Markus Leutwyler im SBB-Blog bereits hier zusammengefasst (ebenfalls spannend sind die zahlreichen Kommentare dazu). Ganz persönlich ist mir eine Erfahrung geblieben, als ich im Mai mit einem RBS-Streckenwärter unterwegs war: Wir liefen auf den Gleisen den ankommenden Zügen entgegen und ich hörte etwas hinter mir und drehte mich um. Da kam der RE angerauscht und ich erschrak und wusste erst nicht, was tun. Er fuhr dann natürlich auf dem anderen Gleis vorbei, aber die Geschwindigkeit und Wucht, die so ein Zug hat, war mir schon in die Knochen gefahren.
 
Klar ist: Gleise überqueren ist lebensgefährlich, leichtsinnig, strafbar und gefährdet andere. Warum wird es aber doch immer wieder getan? Der RBS zeigt Gleisübertreter konsequent an. Im 2014 wurden vom Sicherheits- und Kontrollpersonal, sowie unseren Lokführerinnen und Lokführern 150 Übertretungen beobachtet, 70 davon konnten wir zur Anzeige bringen (unsere Lokfüher nehmen keine Personalien auf). Die Dunkelziffer liegt weit höher. Mit grossen, gut sichtbaren Transparenten weisen wir ausserdem momentan an Orten, wo es immer wieder zu Gleisübertretungen kommt, auf die Gefahren hin. Was können wir noch tun? Fragen wir doch bei den «Erwischten» nach, warum sie über die Gleise gelaufen sind: 
Bahnübergang, Gleise überqueren, Abkärzung, Todesfalle, Worblaufen

A., 18, aus Bern:  

Wann bist über die Gleise und warum?

Das war im Mai, da war ich noch in Worblaufen etwas einkaufen. Ich stand dann auf dem Bahnsteig und schaute in der SBB-App nach, wann der nächste Zug nach Bern fährt. Das war dann in 1, 2 Minuten auf Gleis 1. Und als ich loslief, sah ich den Zug schon kommen. Erst wollte ich durch die Unterführung, die war aber gerade überfüllt. Weiss nicht mehr, ob das Fussballfans waren oder irgendein Anlass. Und dann habe ich einfach schnell nach rechts und links geschaut und über die Gleise gelaufen. Als ich dann in den Zug einstieg, sind die Bahnpolizisten gleich mit eingestiegen und haben mich gefragt, ob ich wüsste, dass ich etwas Verbotenes getan habe. Ich sagte, dass ich eben so knapp dran war und dies auch das erste Mal gewesen ist. Und das war es tatsächlich. Ich mache das nie und beim ersten Mal werde ich gleich erwischt. Sie wollten das aber überhaupt nicht hören und haben dann meine Personalien aufgenommen und gesagt, dass ich angezeigt werde und einen Brief bekomme, in dem das Weitere dann erklärt wird. Ich bin dann gleich nach Hause und habe es meinem Vater erzählt.  

Was hat dein Vater dazu gesagt?

Der war ziemlich sauer auf mich und fand das völlig daneben. Ich habe noch argumentiert, dass er ja auch immer mal wieder eine Busse bekommt, aber halt fürs Falschparken und das sind dann meist nur 20 Stutz. Da ich noch minderjährig war, kam der Brief dann von der Jugendanwaltschaft. Die Busse war 150 Franken. Die hat mein Vater von meinem Lehrlingslohn bezahlt.

Und jetzt?

Naja, ich weiss ja, dass das gefährlich war und wie gesagt, ich mache das auch eigentlich gar nicht und werde ausgerechnet dann erwischt, wenn ich es zum ersten Mal tue. Pech gehabt, würde ich sagen.  

Bahnübergang, Gleise überqueren, Abkärzung, Todesfalle, Worblaufen

K. 49, Solothurn

Was ist passiert? 

Es war am Abend am RBS-Bahnhof Solothurn. Ich kam von der Arbeit und hatte mein Velo auf der Seite Denner abgestellt. Anstatt nun durch die Unterführung zu gehen oder den ganzen Bahnsteig zurück, dann auch noch am Container vorbei und alles wieder nach vorne zu laufen, bin ich runter ins Gleisbett und über den Schotter direkt zu meinem Velo. Zwei Bahnpolizisten haben mich dann angehalten und meine Personalien aufgenommen.

Wie kam es zur Anzeige?

Dann kam die Anzeige, das waren 50 Franken Busse plus 100 Franken Verfahrenskosten, wenn ich mich recht entsinne. Das Ganze hat mich sehr geärgert, dort fahren ja nicht Schnellzüge drüber, da fährt ja höchstens ein Zug auf einmal ein, und meiner stand ja noch da. Die Weichen sind ja so gelegt, dass immer nur ein Zug gleichzeitig einfahren kann. 

Nun, die Gleise können auch unabhängig befahren werden.

Ok, ich habe selbst aber auch einen Gleisbegehungsausweis. Ich weiss, dass ist natürlich auch kein Grund, da ich ja keinen Auftrag dort hatte und auch keine orangene Warnweste anhatte. Das habe ich alles auch den Polizisten gesagt. Aber sie hat das nicht interessiert.

Und jetzt? 

Ich weiss, es ist nicht erlaubt und ich gehe auf jeden Fall nicht mehr drüber. Ich will ja keine weitere Busse riskieren. 150 Franken sind kein Pappenstiel. Aber mich ärgert es, wenn ich andere Leute drübergehen sehe und es stehen Polizisten auf dem Gleis und zeigen sie nicht an.

Bahnübergang, Gleise überqueren, Abkärzung, Todesfalle, Worblaufen

T., 18, aus dem Raum Bern

In welcher Situation bist du über die Gleise?

Es war im Frühling und schon Abend und wir waren in Worblaufen unten an der Aare gewesen. Ich war mit meiner Freundin unterwegs, die damals schwanger war. Auf dem Heimweg sind wir dann auf den Bahnsteig gekommen und sahen, dass auf Gleis 1 gerade die S9 einfährt. Meine Freundin ist dann einfach runter auf die Gleise und hinter dem Zug wieder auf den Bahnsteig geklettert. Ich habe gar nicht richtig überlegt und bin hinterher. Das war auch irgendwie das Gefühl, dass ich ihr helfen müsste.

Wer hat euch erwischt?

Die Bahnpolizisten kamen dann gleich auf uns zu. Wir wollten uns noch erklären, aber das hat sie nicht interessiert. Sie haben unsere Personalien aufgenommen und sagten, wir würden dann Post bekommen. Zu Hause habe ich es gleich meiner Mutter erzählt. Sie war ziemlich enttäuscht von mir. Und mein Vater ist selber Lokführer und war sehr hässig und konnte es überhaupt nicht verstehen.

Was ist nach der Anzeige passiert?

Die Anzeige kam dann eingeschrieben an mein Mami und mich. Ich war da noch minderjährig. Die 150 Franken habe ich selber bezahlt. Ich habe ja den Seich auch gemacht. Das war garantiert das erste und letzte Mal für mich.

 

Merci für die Gespräche.

 

Haltung des RBS

Die offizielle Haltung des RBS bleibt klar: bei Gleisübertretungen gibt es nichts zu diskutieren und auch keinen Entschuldigungsgrund. Deshalb zeigen wir konsequent an. Personalien aufnehmen dürfen auf unserem Netz das RBS-Kontrollteam, die Securitrans, die Transportpolizei und natürlich die Polizei.  

Was meint ihr? Wie sind eure Erfahrungen?

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